Ein Trauma ist eine physische und/oder psychische Verletzung durch
physische und/oder psychische Gewalteinwirkung. Traumatisierung ist ein
fester Bestandteil so ziemlich jedes Menschenlebens. Sie ereignet sich
"natürlicherweise" z.B. in Form von Unfällen, aber auch von emotionalen
Verletzungen wie
zurückgewiesener Liebe oder dem Tod geliebter Menschen. Körper und
Psyche können solche Verletzungen in der Regel verarbeiten, sollten sie
jedoch zu schwer sein, bleibt der Mechanismus der Verdrängung ins
Unbewusste sowie in einzelne Körperorgane, insbesondere bei psychischen
Traumata. Dort ist das Trauma zwar vorerst unschädlich gemacht,
blockiert aber bestimmte Bewegungen, Emotionen, Einsichten oder
Verhaltensweisen. Für den Fall, dass der Einzelne mit einem
persönlichen Trauma überfordert ist oder ein verdrängtes Trauma zu
grosse Blockaden auslöst, haben menschliche Kulturen von der Steinzeit
an Schamanen und Medizinmänner/frauen hervorgebracht, die
Traumatisierungen heilen können. Wo Traumata allerdings so häufig
vorkommen und so normal werden, dass sie als Kollektivtraumata gelten
können, hilft keine individuelle Heilung mehr, sondern es wird
notwendig, zu analysieren, was des Übels Wurzel ist und wie es sich
kollektiv heilen lässt.
Die abendländische Kultur (ähnlich wie andere Hochkulturen auch) befindet sich seit mehreren Jahrtausenden in einem Zustand systematischer kollektiver Traumatisierung, beginnend mit dem kriegerischen Einfall der ersten indo-europäischen Völkerwanderungswellen im bereits dicht besiedelten Europa. Erkennbar ist dieser Einschnitt für Archäologen mit dem Übergang von stammestypischen Gruppengräbern zu egogesellschaftlichen Einzelgräbern mit hierarchischer Sozialabstufung, wobei viele Schädelfunde der letzten Gruppengräber durch Hiebverletzungen mit Steinäxten gekennzeichnet sind. Teilweise wurden ganze Dörfer von den Kindern bis zu den Alten ausgerottet. Während zuvor vorwiegend Werkzeuge hergestellt wurden, begann nun die Produktion von Kriegswaffen in grossem Stil. Spätestens in der Bronzezeit war immer wiederkehrender Krieg zum Normalzustand geworden, erkennbar an der Errichtung von Opida, mit Palisaden gekrönter Schutzwälle, hinter die sich Menschen mit Hab und Vieh im Falle eines Überfalls zurückzogen, um sich zu verteidigen. Das Opidum wurde seitdem beständig zum Fort und zum Castell ausgebaut, zur Dorfumfriedung und zur Stadtmauer. Auch in anderen Teilen der Welt wurde der Krieg mit zunehmender Bevölkerungsdichte die letzten Jahrtausende zunehmend normaler. Das bedeutet, dass in der zivilisierten Menschheit seit langer Zeit so ziemlich jede Generation kriegstraumatisiert wurde und zudem die angesammelten Kriegstraumata ihrer Vorfahren erbte. Dazu kamen die Folgetraumata, die sich aus der in die Gesellschaft hineinwirkenden Gewalt ergaben, mit der die Sieger kriegerischer Auseinandersetzungen die überlebenden Verlierer dauerhaft zu knechten versuchten. Als Teil dieser Unterdrückungs- und Ausbeutungsgewalt sind Sklavenfang und Sklavenhaltung zu verstehen, bei der Menschen gewaltsam aus ihrer Stammesgemeinschaft herausgerissen und verschleppt wurden, um ihren Herren als Sklaven zu dienen. Die Herren kamen bald auf die Idee, Sklaven unter dem Ehejoch zu verpaaren, so dass ihre Kinder von Anfang an in die Sklaverei hineingeboren und -erzogen wurden. Das geschah im Übrigen meist nach einer Weile auch mit den Sklavenhaltern selbst, wenn die nächste Völkerwanderungswelle oder das Nachbarimperium oder die eigene Untertanenschaft sie überrannte und versklavte. Schliessslich wurden Ehejoch und Familienerziehung obligatorisch für alle Gesellschaftsklassen, so dass so ziemlich alle Menschen der gesamten Gesellschaft durch Unterwerfung unter eine Zwangserziehung persönlich traumatisiert wurden. Krieg, institutionalisierte Gewalt und Erziehungszwang sind weltweit die Grundfesten gesellschaftlicher Kollektivtraumatisierung geworden. Dazu kommen noch allerlei Folgetraumatisierungen durch eine lieblose Kultur, die die Herzen verschliesst und die seelische Befriedigung durch liebevolle soziale Verhältnisse durch die nimmersatte Gier nach egoistischen Ersatzbefriedigungen aller Art ersetzt und statt der Empathie als Basis für gesunde Sozialität den Menschen eine andressierte Moralität aufzwingt. Die Einigelung hinter Stadtmauern mit der einhergehenden Ausgrenzung der Natur führte im Laufe der Zeit zu einer zunehmenden Naturentfremdung und Instinktverarmung, einhergehend mit der Verdammung alles Wilden und der gewaltsamen Unterwerfung und Ausbeutung der Natur unter den gewalttraumatisierten Menschen, mit dem vorläufigen Höhepunkt heutiger globaler Lebensraumzerstörung. Die Gewalt ist heute so tief in alle Bereiche der Gesellschaft vorgedrungen, dass unsere Kultur nur noch als zutiefst gestört und krank gelten kann, als Feind des Menschen und der lebendigen Erde. So sind der Staat, die Kirche, die Wirtschaft und andere gesellschaftliche Institutionen zu bösartigen Menschenviehhaltern pervertiert und die jeweiligen Eliten (die selbst hochgradig traumatisiert sind) halten sich mit struktureller Gewalt an der Macht und sind gewillt, Krieg gegen die eigene Bevölkerung zu führen, wenn diese aufbegehren sollte. Und die überwiegende Mehrzahl der ganz gewöhnlichen Menschen hält es für völlig normal, gesellschaftlichen Erfolg mit aggressiver Duchsetzungsfähigkeit gegen andere gleichzusetzen. Psychisch in der Regel von der elterlichen Erziehung und dem Schulsystem vergewaltigt, indoktriniert von einer kranken, kriegslüsternen Kultur und unter gesellschaftliche Regeln gezwungen, die die Unmenschlichkeit kultivieren, sind die allermeisten heutigen Zivilisationsmenschen hochgradig traumatisierte Seelenkrüppel. Am kränkesten sind zweifellos jene, die sich für ganz normal und gesund halten, aber einfach zu bewusstlos sind, um das eigene seelische Elend und die Krankheit der Gesellschaft wahrzunehmen - jener hochgradig degenerierte Menschenschlag, der die Gefahren von Nuklearkrieg, Biosphärenzerstörung und Entmenschlichung mit einem Schulterzucken und dem Spruch: "Nach mir die Sintflut!" beantwortet. Was aber eigentlich nicht verwundert, denn die beliebteste Methode, mit Traumatisierungen aller Arten fertig zu werden, ist bekanntlich die Verdrängung. Zivilisierte Menschen sind Verdrängungsweltmeister, die ihre eigenen seelischen Schädigungen zu ignorieren suchen und eine gemeinsame Kultur entwickelt haben, die die eigenen Massenwahne ganz gezielt ausblendet. Das Problem ist nur, dass dies mit der weltweiten Überbevölkerung und der immer weiter wachsenden technischen Machtfülle immer weniger gut funktioniert. Es wird klar und immer klarer, dass wir uns unseren persönlichen wie kollektiven Traumata stellen und sie heilen müssen, wenn wir als Art überleben wollen. Die hochtraumatisierte Menschheit wird an ihren schweren seelischen Krankheiten aussterben, wenn sie nicht ihr gewaltgeborenes Unheil anschaut und transformiert. So ist die Frage nun, wie denn eine systematische Kollektivtraumaheilung aussehen könnte. Nun, zunächst wäre als allererstes die Verdrängung anzuschauen und die ins Unbewusste verbannten Traumata mit all ihren seelischen Schmerzen ins volle Bewusstsein hochzuholen. Und zwar sowohl die eigenen, persönlich erlebten Traumata als auch die oft undeutlicher wahrnehmbaren ererbten Kollektivtraumata. Je gründlicher man dies tut, desto umfassender kann die Heilung werden. Da Gewalt in all ihren Formen eigentlich immer die Grundursache aller Arten von Traumata ist, gilt es, mit der ausgeprägtesten Gewalt zu beginnen. Wer etwa in seiner Erziehung geschlagen wurde, um zur Unterwerfung gezwungen zu werden, sollte sich zuerst mit diesem Thema befassen, seine Auswirkungen auf einen selbst erkennen und sich fragen, ob und wie man die in einen hineingeprügelte Gewalt wieder unheilstiftend in die Gesellschaft zurückreflektiert. Vergebung für die Gewalttäter und gegebenenfalls für einen selbst als sich der Gewalt Fügender und vielleicht sogar Gewalt Weitertragender ist hier das beste Heilmittel. Die erlernte Gewaltkultur gilt es dann durch eine Kultur des gewaltlosen Miteinanders zu ersetzen. Dasselbe gilt für kollektive Gewalt, wo jede Art von Kriegskultur durch kollektive Vergebung und kriegsvorbeugende Friedenskultur ersetzt werden sollte. Gesellschaftliches Konkurrenzverhalten gilt es durch Kooperation zu ersetzen und Kommunikation sollte sich von schlagenden Argumenten zur gewaltfreien Kommunikation und verständnisorientierten Diskussionskultur weiterentwickeln. Statt künstlich andressierter Moral gilt es, wieder Einfühlungsvermögen (Empathie) für Mitmenschen zu entwickeln und überhaupt das Herz wieder Stück um Stück füreinander zu öffnen. Herzenskultur ist das wirkungsvollste Heilmittel für Gewalttraumata und Kriegskultur, sowie für alle Formen der Gier, mit denen der Bauch, der Kopf oder die Geschlechtsorgane nimmersatt zu befriedigen suchen, was eigentlich ein unerkannt ungestillter Herzenshunger ist. Auch gilt es, die strukturelle Gewalt herrschaftlicher Machtpyramiden abzuschaffen und durch selbstorganisierte und freiwillig anerkannte Kompetenz- und Beliebtheitshierarchien zu ersetzen. Um allgemeine Erziehungstraumata zu überwinden, gilt es zunächst, den eigenen freien Willen voll selbstzuermächtigen und anschliessend am besten in einer sozialen Nachreifungsgruppe alles an gesunder, natürlicher Gemeinschaftssozialisierung nachzuholen, was man als Kind schon hätte lernen sollen, was aber durch Erziehung unterdrückt wurde. Und schliesslich gilt es, sich konsequent wiederzuvernatürlichen, innigen Naturkontakt zu suchen und die eigenen verschütteten Instinkte wiederzuerwecken. Eine heile Natürlichkeit ist die beste Voraussetzung für eine heile Kultur, die nicht im Krieg, sondern im Frieden mit der irdischen Biosphäre und der eigenen Intuition lebt. Je mehr Menschen es wagen, sich ihre eigenen, persönlichen wie unser aller kollektive Traumata anzuschauen und zu heilen, desto heiler kann die Gesellschaft als Ganzes werden und desto eher werden wir mit einer heilenden Kultur in der Lage sein, eine gewaltlose, traumafreie Welt zu errichten. Da die Alternative die gewisse Selbstzerstörung durch unsere Jahrtausende lang akkumulierte Gewalt ist, lohnt es sich auf jeden Fall, durch den Schmerz der Traumaheilung zur Befreiung und Gesundung vorzudringen, persönlich aufzuatmen und eine rosige gesellschaftliche Zukunft zu eröffnen. In diesem Sinne wünsche ich allen Traumaheilungsinteressierten viel Mut und Erfolg! |